Geschlechtsdysphorie für cis1-Menschen erklärt

Hast Du schon mal was von Dysphorie gehört? Nein? Na dann, jetzt schon. Falls Du Dir jetzt denkst, das hört sich an wie Dyslexie oder Dyskalkulie, dann bist vom Klang her richtig, von der Bedeutung her ziemlich falsch. Aber warum solltest Du eigentlich die Bedeutung des Begriffs kennen? Wenn Du weißt, was dieses Wort heißt, kannst Du vielen Menschen den Alltag angenehmer machen und zum Wohlbefinden der psychischen Gesundheit von anderen einen Teil beitragen. (Vorausgesetzt, Du handelst entsprechend und versuchst, Dir selbst Gedanken zu dem Thema zu machen.) Dysphorie ist Teil des Alltags der aller meisten Trans*Personen. Und nicht nur wie bei Dir (hoffentlich) das Zähneputzen 2-mal am Tag für 3 Minuten, sondern von Tag zu Tag unterschiedlich viel, unterschiedlich intensiv und in Bezug auf unterschiedliche Dinge. Auf all das gehen wir später noch ein.

Fangen wir mal mit der Begriffsklärung an. Trans* ist eine Person, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren kann, dabei spielt es keine Rolle, ob man als Mensch, dem bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, sich als Frau/Mädchen identifiziert, oder als Mensch, dem bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, sich als nicht binäre Person identifiziert. Auch sämtliche andere Kombinationen, die unter dieses Schema passen, gehören unter den Übergriff Trans*gender. Du kennst bestimmt auch den Begriff Euphorie. Wenn Du Dir jetzt die Wortendung ansiehst (-phorie), dann kannst Du erkennen, dass Dysphorie und Euphorie wohl etwas miteinander zu tun zu haben scheinen. Euphorie ist laut Duden „[eine] zeitweilige übersteigert[e] heitere und zuversichtliche [Gemüts]Stimmung, Hochstimmung, [ein] Zustand optimistischer Begeisterung, [rauschhaft] gesteigerten überschwänglichen Gefühls.“ Kurz und knapp: Man freut sich sehr über etwas oder ist sehr froh. Dysphorie ist ziemlich Gegenteilig zu Euphorie. Man kann die Dysphorie von Trans* Personen in drei unterschiedliche Aspekte aufteilen. Einmal die Körper-Dysphorie, die soziale Dysphorie und die mentale Dysphorie. Egal welchen der drei Typen man sich ansieht, es hängt immer damit zusammen, dass man ein starkes unwohles Gefühl hat, was sich auf die Unterschiede zwischen seiner Geschlechtsidentität und seinem biologischen Geschlecht bezieht. Bei der Körper-Dysphorie liegt das an den äußerlichen Aspekten, die der eigene Körper aufweist. Zum Beispiel, wenn man als weiblich gelesene Person, die sichtbar Brüste hat, ein sehr starkes Unwohlsein diesbezüglich hat. Du könntest Dir das so vorstellen, als würdest Du mit einem dritten Arm aufwachen, der Dir aus dem Bauch wächst. Es fühlt sich so an, als würde er nicht zu Deinem Körper gehören. Wenn Du Dich zeichnen müsstest, wie Du dich fühlst, würde er nicht mit abgebildet sein. Es ist eine nutzlose Erweiterung deines Körpers, die einfach nur im Weg ist. Deine Klamotten würden zu einem Großteil nicht mehr so passen, wie Du es gerne hättest. Wenn Du dann abends wieder ins Bett gehst, wünschst Du Dir, dass er morgen einfach nicht mehr existieren würde, doch wenn Du aufwachst, ist er immer noch da und das tägliche Grauen geht von Neuem los. Immer und immer wieder. Dazu kommt auch noch die soziale Dysphorie, die eng mit der Körper-Dysphorie „zusammenarbeitet“. Das ist, wenn man sich als weiblich gelesene Person als Junge identifiziert, aber immer als Mädchen angesprochen wird, und im dümmsten Fall auch noch nach Geschlechterrollen und -klischées behandelt wird. Man könnte es auch so beschreiben, dass Du morgens in die Schule gehst und einfach irgendjemand auf Dich zukommt, Dir durch die Haare wuschelt und so etwas sagt wie „Bist du aber ein:e Feine:r!“. Wenn Du dann aufstehst, wenn der lang ersehnte Pausengong ertönt, meint dann jemand „Willst Du raus? Ja, komm mit nach draußen, dann können wir Gassi gehen.“ Der ganze Tag besteht daraus, dass Du nicht ernst genommen wirst, behandelt wirst als würdest ein Hund sein. Du bist aber (davon gehe ich zumindest aus) ein Mensch. Das fühlt sich ziemlich mies an. Da kann man auch verstehen, dass sich viele (nicht alle!) Trans*Personen einer Geschlechtsangleichung, hormonell oder auch operativ, unterziehen wollen. Einfach so behandelt werden, wie man sich fühlt. Endlich den Körper passend zum Kopf haben. Wenn Du es Dir noch nicht vorstellen kannst, kannst Du die Vergleiche noch etwas weiterdenken und Dich noch etwas mehr in die Situationen einfühlen. Es fehlt noch die letzte Art von Dysphorie und die ist etwas schwerer zu verbildlichen, da sie meist in den Köpfen der Trans*Personen abläuft. Die mentale Dysphorie kommt zu Stande, wenn man sich unwohl fühlt, weil die eigenen Gedanken nicht der Geschlechtsidentitätsvorstellung entsprechen, die man von sich hat. Es fühlt sich an, als würden die Gedanken nicht zu einem selbst passen. Das kommt oft von verinnerlichten Geschlechterrollen und -vorstellungen, denn wenn man logisch denkt kann ja jede:r denken, wie er:sie möchte und es gibt nicht so etwas wie „männliche und weibliche Gedanken“. Das macht es aber nicht weniger real für Trans* Personen, die diese Art von Dysphorie erfahren.

Dysphorie ist, wie wir jetzt wissen, ziemlich oft ein Aspekt des Trans* seins, der viel Unwohlsein hervorruft. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, wie Du es Trans* Personen in Deinem Umfeld angenehmer machen kannst. Eine Sache ist, dass Du es respektierst, wenn Dir jemand seine:ihre Pronomen anvertraut und es auch so anwendest, wie es gewünscht wird. Dasselbe gilt natürlich für den Namen. Das sollte in unserer Gesellschaft mittlerweile selbstverständlich sein, ist es aber anscheinend doch nicht immer. Eine weitere recht simple Sache ist, dass Du auf den Toiletten und in den Umkleiden keine Bemerkungen bezüglich Körpern machst. Das ist eine Sache, die nicht nur ein Gefallen für Trans* Personen wäre. Das sind jetzt wirklich sehr einfache Tipps. Wenn du noch weiter helfen möchtest, kannst du selbst recherchieren, und Dir Erfahrungsberichte von Trans* Personen ansehen und lesen. Natürlich wäre es auch schön, wenn Du Dich bei Interesse für die Osqar-Ag bei Frau Nagler-Popp oder Herrn Christandl anmeldest und dort noch mehr Leute aus der LGBTQIA+ Community unterstützen kannst.

Noch wichtig zum Schluss: Jede Person ist individuell und so auch Trans* Menschen. Dysphorie ist ein Empfinden, dass sich von Person zu Person unterscheidet und auch nicht an jedem Tag gleich ist. In diesem Artikel steht bei weitem nicht alles und er ist auch nicht allgemein gültig.

Cis1= eine Person, deren Geschlechtsidentität mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmt.

Maja Sixtbauer